Europäische Kinder in Todesgefahr, Europa muss internationale Konventionen einhalten

Sehr geehrter Herr,
Das ‘Collectif des Famille Unies’ (französisches ‘Kollektiv der geeinten Eltern’) sendet Ihnen die besten Wünsche zum Neuen Jahr.
 
Unsere Gruppe französischer Eltern ist voller Respekt für die demokratischen Werte und Prinzipien, die den friedlichen Aufbau Europas in den vergangenen Jahrzehnten erlaubten. In unserer Elterngruppe zählt jeder ein oder mehrere Familienangehörige, die infolge ihrer religiösen Radikalisierung in die syrisch-irakischen Kriegsgebiete aufgebrochen sind. Wir kämpfen mit aller Kraft gegen diese Geißel, die unsere Familien zugrunde richtet und zerstört und die einschneidende Auswirkungen auf unsere europäischen Gesellschaften hat.
 
Wir bitten Sie im Folgenden, sich eine juristische und menschliche Situation bewusst zu machen, die ganz kleine Kinder aus Europa zum Exil in Lagern oder Gefängnissen in Syrien und im Irak verdammt und die deren Eltern ein Gerichtsverfahren in ihren Herkunftsländern unterbindet.
 
Wir möchten Ihnen für Ihr Interesse an diesem Thema danken, das alle europäischen Länder anbelangt und gleichfalls für das an den unveräußerlichen Prinzipien, die es uns seit Jahrzehnten ermöglichen, in Europa in Frieden zu leben. 
 Mit besten Grüßen Die französisches ‘Kollektiv der geeinten Eltern

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Botschaft des französischen Kollektivs Familles unies (Geeinte Familien) an die europäischen Abgeordneten
 
Hunderte Kinder aus Europa werden in Syrien und im Irak entgegen den Bestimmungen von Kinderrechts-Konventionen festgehalten.
Hunderte von Kindern in den syrischen Kriegszonen sind in Todesgefahr.
Dutzende europäischer Bürger sind in Syrien in Gefangenschaft, ohne Aussicht auf einen Prozess und außerhalb jeglichen rechtlichen Rahmens.
 
EUROPA MUSS SICH SEINER VERANTWORTUNG STELLEN UND SEINE BÜRGER HEIMHOLEN.
 
Hunderte von Kindern aus Europa – davon betroffen sind fast alle europäischen Länder- vegetieren seit Monaten in syrischen Lagern so vor sich hin, teils schon seit eineinhalb Jahren. Die Mehrheit dieser Kinder, die von manchem „Experten“ in der öffentlichen Meinung als ‘verteufelt’ dargestellt wurden, ist noch nicht mal fünf Jahre alt. Einige Staaten – Frankreich und Belgien – haben sich dafür ausgesprochen, die Kinder ohne ihre Mütterheimzuholen.
Bislang und trotz gegenläufiger Ankündigungen gewisser Staaten seit nunmehr einem Jahr ist kein einziges Kind aus syrischen Lagern heimgeholt worden!
 
Die von Frankreich und Belgien angestrebte Lösung setzt auf das Einverständnis der Mütter und beinhaltet eine untragbare Maßnahme: ein Aussortieren der Kinder, manche sollen heimgeholt werden, andere nicht. All diese Kinder sind unschuldig: sie haben um nichts gebeten, sie tragen keinerlei Schuld für was auch immer, es handelt sich um Opfer des Kriegs und von Daesh (IS). Diese europäischen Kinder sind Gefangene.Bildung, Schulbesuch und Freizeitvergnügen werden ihnen vorenthalten. Sie befinden sich in einer extrem prekären materiellen Lage, der Zugang zu gesundheitlicher Versorgung ist schwierig oder schlicht nicht vorhanden. Ihnen fehlt jegliche psychologische oder psychiatrische Stütze. Sie sind immer schlimmeren Wetterbedingungen ausgesetzt, angesichts der zunehmenden Kälte dürfte manches Kind den Winter nicht überleben.
Diese Kinder sind Franzosen, Belgier, Holländer, Deutsche, Briten, Portugiesen, Spanier, Italiener, Dänen, Schweden..- mit welchem Recht unterbinden deren Heimatstaaten ihre Rückkehr? Seit Monaten schonhätten Lösungen entwickelt werden können und unternommen wurde nichts. 
 
Diese Kinder zahlen den höchsten Tribut, sie leiden und werden von ihren Heimatländern komplett im Stich gelassen, ganz so, als würden sie für die Fehler ihrer Eltern zur Rechenschaft gezogen. Diesen europäischen Kindern werden all ihre Rechte vorenthalten, die in der internationalen Kinderrechts-Konvention festgeschrieben sind – die alle europäischen Staaten unterzeichnet haben. Das höhere Interesse ALL dieser Kinder besteht darin, sie in ihr jeweiliges Heimatland zurück zu bringen, sie wieder einzugliedern, ihnen die Rechte zuzugestehen, die Kinder unserer Länder genießen: Freiheit, Sicherheit, Recht auf Erziehung, Gesundheit, auf Freizeitvergnügen.
 
Wir bitten die Regierungen der europäischen Länder, die diese Kinder seit zu vielen Monaten einfach ihrem Schicksal überlassen haben, schnellstmöglich deren Heimkehr zu organisieren, bevor manches Kind in einem Lager umkommt, sei es durch Unfall, Krankheit oder wieder aufflammenden Krieg. 
 
Die Mütter dieser Kinder, selbst in Gefangenschaft in den Lagern, haben keinerlei Aussicht auf einen Prozess vor Ort. Die kurdischen Behörden haben angekündigt, kein Gerichtsverfahren gegen sie anzustrengen, eben so wenig wie sie über die syrischen Ehefrauen von Daesh-Kämpfern zu Gericht sitzen wollen.  Können unsere europäischen Rechtsstaaten die Wahl treffen, gegen ihre sämtlichen Regeln zu verstoßen und diese Frauen zu immerwährendem Exil zu verdammen, in eine rechtsfreie Zone zu verbannen,siede factozu Staatenlosen zu machen – konträr zu  unserer Rechtsprechung? Oder werden sie sich im Gegenteil dazu entschließen, ihrer Verantwortung gerecht zu werden,indem sie für die Auslieferung dieser Europäerinnen sorgen und ihnen ein gerechtes Gerichtsverfahren ermöglichen? Diese Lösung ist konform mit dem Geist unserer Rechtsprechung wie ebenso mit dem der internationalen Kinderrechts-Konvention und würde die baldige Heimkehr aller europäischen Kinder erlauben.
 
De europäischen Länder haben betreffs ihrer gefangengehaltenen Bürger eine fast identische Haltung eingenommen: Über diese Personen muss vor Ortgerichtet werden, jegliche Heimführung oder Auslieferung an ihre Herkunftsländer scheint derzeit ausgeschlossen, obgleich gar mehrere internationale Haftbefehle gegen einige Personen, die sich derzeit in Gefangenschaft befinden, erlassen wurden.In Syrien werden die meisten europäischen Gefangenen derzeit von den kurdischen Kräften festgehalten, soll heißen: Einer Nicht-Regierungsmäßigen Einheit, die auf internationaler Ebene nicht anerkannt wird. Derzeit sitzen die Männer in Gefängnissen und die Frauen und Kinder in Lagern ( in Roj, Aïn-Issa, Al-Hol). Die kurdische Obrigkeit hat ganz klar verlauten lassen, dass sie den Ausländern nicht den Prozess machen werde und die unterschiedlichen Länder gebeten, ihre Bürger  zurück zu holen. Die Regierungen der europäischen Staaten jedoch sind ihrer Position treu geblieben, obgleich die Aussicht auf faire Prozessverfahren vor Ort von Tag zu Tag immer unwahrscheinlicher wurden.
 
Europäische Bürger sind mittlerweile schon im Irak vor Gericht gestellt worden, das Land praktiziert noch die Todesstrafe. Humanitäre Vereine und Menschenrechtsorganisationen haben unisono die Tatsache hervorgekehrt, dass die Rechtsprechung im Irak weit entfernt ist von der der Justiz in Europa: Im Irak gibt es kein Ermittlungsverfahren, das dieser Bezeichnung würdig wäre, die Verfahren werden im Eiltempo abgehandelt, verteidigen können sich die Angeklagten kaum, ein Prozess dauert höchstens eine Stunde. Dass somit in flagranter Manier gegen das Recht und das Prinzip ausgleichender Gerechtigkeit verstoßen wird, hat die Verantwortlichen in Europa bislang kaum erschüttert. Dabei wäre es ihnen möglich, die irakische Justiz aufzufordern, die europäischen Bürger ihre Haft im Heimatland absitzen zu lassen. 
Jedenfalls werden noch Dutzende europäischer Kinder im Irak gefangen gehalten und es ist dringend nötig, sie heim zu holen. 
 
In Syrien ist der Krieg gegen Daesh in seine letzte Phase eingetreten. Die Bombenangriffe der internationalen Koalition gegen die letzten Stellungen von Daesh haben allerdings sehr viele zivile Opfer gefordert. Ganze Familien, unzählige Kinder, darunter europäische Minderjährige, wurden getötet oder verletzt.Durch die von den Kampfhandlungen bedingten Versorgungsblockaden werden die letzten Überlebenden in diesen Gebieten ausgehungert, vielfach handelt es sich um Geiseln von Daesh, die als lebende Schutzschilde eingesetzt werden. 
 
Kein Krieg rechtfertigt, dass Kinder getötet werden: Es muss alles dafür getan werden, der Zivilbevölkerung, den Familien und Kindern zu ermöglichen, sich zu ergeben und die Kampfzonen zu verlassen!
 
Angesichts des angekündigten Abzugs der amerikanischen Truppen, der Spannungen und aufkommenden Konflikte zwischen Kurden und der Türkei, der Annäherung zwischen den Kurden und dem Regime von Bachar Al-Assad erscheint die Aussicht auf gerechte Prozessverfahren vor Ort für europäische Bürger, seit jeher eher unrealistisch, immer mehr völlig hinfällig.Dafür droht nun, dass die europäischen Gefangenen und ihre Kinderdem syrischen oder irakischen Regime überstellt werden könnten. Humanitäre Vereine und Menschenrechtsorganisationen prangern seit Jahren das syrische Haftsystem an,in dem schon tausende Männer, Frauen und Kinder gefoltert, vergewaltigt, umgebracht worden sind.
Wollen die Regierungen in Europa, die so auf die Menschenrechte und auf eine unparteiische und gerechte Justiz pochen, ihre Bürger und unschuldige Kindereiner solchen Behandlung überlassen?
 
In Anbetracht der beunruhigenden Entwicklung in Syrien und der zunehmenden Unwägbarkeit der Lage erscheint es uns geboten, die internationalen Haftbefehle, die von Gerichten in Europa erlassen wurden, auszuführen. Und somit die Herausgabe unserer Bürger zu verlangen, um siefür ihre Tatenvor Gericht zu stellen. Wir wissen, dass es vor Ort zu keinem Gerichtsverfahren kommen wird.  Und die eventuelle Übergabe dieser Gefangenen an das syrische Regime – ganz abgesehen von der Tatsache, dass es sich dabei um eine Schandtat und ein Verbrechen handeln würde – kann mittel- oder langfristig für Europa zu einem offensichtlichen Sicherheitsrisiko werden. Die kurdische Obrigkeit hat im übrigen mitgeteilt, dass sie nicht mehr lange die sichere Verwahrung dieser europäischen Gefangenen gewährleisten könne und dass somit Gefängnis-Ausbrüche zu befürchten seien. Damit ist die Rückholung dieser Personen nicht mehr nur eine Rechtsfrage, sondern wird auch zu einer Sicherheitsfrage für Europa. 
Indem sich unserer Regierungen auf die Weigerung versteifen, ihrer Verantwortung gerecht zu werden, erkennen sie an, dass eine gewisse Kategorie europäischer Bürger es nicht verdiene, gemäß den Prinzipen eines Rechtsstaats und eines gerechten  Prozessverfahrens behandelt zu werden. Dabei gelten diese Prinzipien für jedermann, ungeachtet des Umfangs der verübten Verbrechen. Dagegen zu verstoßen, bedeutet, die Basis unserer Justizsysteme und unserer demokratischen Prinzipien per se in Frage zu stellen. In dunkle Stunden unserer noch gar nicht so lange vergangenen Geschichte zurückzufallen. 
 
Paris 17. Januar 2019


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